Mitternachtssonne auf den Lofoten

Falko Burghausen
Falko Burghausen
Veröffentlicht: vor 2 Jahren
Aktualisiert: vor 2 Wochen
Geschätzte Lesezeit: 12 Minuten
Mitternachtssonne auf den Lofoten

Wer die Mitternachtssonne auf den Lofoten hoch im Norden Norwegens erleben möchte, hat exakt 76 Tage Zeit dafür. Jedes Jahr zwischen Ende Mai und Mitte Juli steht die Sonne täglich 24 Stunden lang am Horizont – das exakte Gegenteil zur Winterzeit, wo die Sonne während der Polarnacht für einige Zeit gar nicht aufgeht.

Wie genau aber entsteht dieses Phänomen der Mitternachtssonne und wie kommt es, dass wir uns 24 Stunden lang einen Sonnenbrand holen können? Wir starten unsere Erkundung am norwegischen Polarsirkelsenteret.

Der Polarkreis – Grenzlinie des Sonnenlichts

Wer in Nordnorwegen den Polarkreis überquert, befindet sich in einer unwirtlichen Hochebene, nördlich von Mo i Rana und südlich von Fauske. Nordland. Auf knapp 700 Metern Höhe werden wir unübersehbar daran erinnert, dass wir nun den 66. Breitengrad überqueren und uns damit nur noch gute 2600 Kilometer vom Nordpol entfernt befinden. Im Süden das Gleiche, auch hier markiert der südliche Polarkreis den Bereich, der die Sonne aufgrund der Rotation der Erde in den Sommermonaten nicht untergehen lässt.

Scheidepunkt zwischen Nacht und Tag: der Polarkreis auf dem 66. Breitengrad – nördlich davon sinken die Stromkosten dank der Mittsommernacht
Scheidepunkt zwischen Nacht und Tag: der Polarkreis auf dem 66. Breitengrad – nördlich davon sinken die Stromkosten dank der Mittsommernacht

Die Lage der Polarkreise ist nicht fest, sie variiert von 365 Tagen um knapp 15 Meter, da ihre exakten Positionen vom Winkel der Erdachse im Verhältnis zur Ebene der Umlaufbahn abhängt. Die Erdachse ist gegenüber ihrer Umlaufbahn um die Sonne um 23,27 Grad geneigt. Dieser Effekt (auch als Schiefe der Ekliptik bezeichnet) führt dazu, dass wir auf unserer Erde sowohl auf der Süd-, als auch auf der Nordhalbkugel jedes Jahr vier verschiedene Jahreszeiten erleben können – Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Und er ist auch dafür verantwortlich, dass wir nun mit der Fortsetzung unserer Reise nach Norden dank dieser Neigung keinen Sonnenuntergang mehr erleben werden, da die Sonnenstrahlen immer mindestens in einem flachen Winkel auf die Erdoberfläche treffen.

Die Nacht wird zum Tag und manchmal der Tag zur Nacht. Zumindest im übertragenen Sinne, denn wie wirkt sich das auf unseren Schlafrhythmus aus?

Schlafen in der Mittsommernacht

Unser normaler Biorhythmus folgt einem relativ simplen Muster: hell heisst wach, dunkel heisst schlafen. In Mitteleuropa werden wir bereits im Kindesalter auf diesen Rhythmus eingestellt, abgesehen von Schichtarbeit oder Partynächten behalten wir ihn bei.

Verantwortlich für das Funktionieren dieses Rhythmus ist ein Hormon, Melatonin genannt. Normalerweise wird die Melatonin-Produktion gegen den Nachmittag hin verstärkt und führt am Abend zu entsprechender Müdigkeit und dem Verlangen nach Schlaf. Herrscht hingegen ein Melatonin-Mangel vor, werden wir nicht müde – das aber mitunter mit langfristigen Folgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden. Sind also alle Menschen nördlich und südlich der Polarkreise krank?

Vielleicht liegt es an der atemberaubenden Landschaft der Lofoten, der Mitternachtssonne oder dem schweren Magen aufgrund der verdrückten Kanelbullar – der übliche Schlafrhythmus gerät jedenfalls schnell aus den Fugen, wenn man erst einmal einige Zeit im Land der Mitternachtssonne ist. Insbesondere zwischen 21 Uhr und 4 Uhr morgens werden vor allem Fotografiebegeisterte ein Schlafdefizit aufbauen und Schuld daran ist das Licht. Es herrscht quasi sieben Stunden lang die goldene Stunde: goldgelbes Sonnenlicht und lange Schatten. Die Kamera ist im Dauereinsatz, der Fotograf auch. Das Bett: leer, erst wenn die Müdigkeit überhand nimmt, kommt der Organismus gezwungenermassen zur Ruhe und man legt sich doch mal hin. Aber wehe, wir wachen mitten in der Nacht mal auf und stellen fest, das bereits wieder (oder immer noch?) bestes Licht zum Fotografieren herrscht.

00:30 Uhr Ortszeit, die Mitternachtssonne scheint. Eine Sonnenbrille kann sogar nachts empfehlenswert sein.
00:30 Uhr Ortszeit, die Mitternachtssonne scheint. Eine Sonnenbrille kann sogar nachts empfehlenswert sein.

In nordischen Ländern (und damit auch auf den Lofoten) finden wir dementsprechend in nahezu allen Schlafzimmern dunkle, lichtdichte Vorhänge, um überhaupt einen entsprechenden Schlafrhythmus zu ermöglichen. Als Tourist seinen Rhythmus für wenige Tage oder Wochen durcheinander zu bringen ist eine Sache. Hier zu leben, erfordert jedoch eine gewisse Disziplin, was den Umgang mit taghellen Nächten anbelangt. Berücksichtigen wir das, können wir auch unsere Melatonin-Produktion in den Griff bekommen und können trotzdem die langen Mittsommernächte geniessen, denn: Sonnenlicht macht ja glücklich und ist damit ebenfalls wichtig für unsere Gesundheit.

Während wir Menschen Vorhänge aufhängen können, haben Tiere diese Wahl nicht. Wie also gehen die Unmengen an Wildtieren in nordischen Ländern mit der Mitternachtssonne um?

Die biologische Uhr der Tiere

Ein Team von Forschern hat vor einigen Jahren Rentiere im Norden Norwegens und auf Spitzbergen begleitet und die Auswirkung der Mittsommernacht auf deren Biorhythmus erforscht. Ihre Erkenntnis: während der Mitternachtssonne gerät auch der Schlaf- und Fressrhythmus der Tiere aus der Balance und findet während dieser Zeit willkürlich statt. Mit dem wieder einsetzenden Sonnenuntergang im Herbst bis in das Frühjahr hinein normalisierte sich das Verhalten der Tiere hingegen und die innere Uhr tickte im Rhythmus von Tageslicht und Nacht. Die Vermutung liegt laut den beteiligten Forschern nahe, dass dieses Verhalten auch für andere Tierarten gilt.

Führt dich dein Besuch auf den Lofoten also wegen der Tierwelt dorthin, musst du dir keine Sorgen machen: die Chancen auf Rentiere, Elche oder andere Tierarten stehen auch während der Mitternachtssonne gut.

Finden ihren eigenen Rhythmus: Tiere auf den Lofoten passen sich den Lichtgegebenheiten an.
Finden ihren eigenen Rhythmus: Tiere auf den Lofoten passen sich den Lichtgegebenheiten an.

Licht im Überfluss

Doch welchen Einfluss hat nun eigentlich das Licht der Mitternachtssonne auf das Fotografieren? So viel sei vorweg genommen: einen durchwegs positiven.

Natürlich gelten auf den Lofoten die gleichen Faustregeln wie überall sonst auch. Licht ist alles, hartes Tageslicht sieht selten gut aus, Landschaftsfotografie lebt durch die Tiefenwirkung im Bild. Während die Tiefe durch die malerische Landschaft Norwegens und der Lofoten insbesondere fast von alleine kommt, hat die Mitternachtssonne einen durchwegs positiven Einfluss auf das Licht. Aus der goldenen Stunde werden goldene Stunden, lange und interessante Schatten gibt es überall – entsprechendes Wetter vorausgesetzt. Die Lofoten sind kein Schönwetterparadies, längere Schlechtwetterperioden und Stürme müssen mit einkalkuliert werden. Das muss nicht schlimm sein, die kurz aufreissende Wolkendecke kann für spektakuläre Lichtverhältnisse sorgen. Insbesondere Abends findet die tief stehende Sonne im Westen doch häufig noch ein kleines Wolkenfenster, durch welches sie ihre Strahlen senden kann.

Goldenes Licht im Überfluss: die Mitternachtssonne auf den Lofoten taucht die atemberaubende Landschaft stundenlang in ein weiches, warmes Licht
Goldenes Licht im Überfluss: die Mitternachtssonne auf den Lofoten taucht die atemberaubende Landschaft stundenlang in ein weiches, warmes Licht

Die Location sollten sorgfältig auswählen, denn ab ca. 21 Uhr steht die Sonne tief im Westen und wandert über den Norden im Laufe der Nacht gen Nordosten. Die Westküste der Lofoten bietet sich daher eher Abends an, östlich gelegene Orte können dann im Schatten der Berge liegen, ein genauer Vorabcheck empfiehlt sich.

Aber auch im Osten gibt es Unmengen von Fotospots, die mehr als einen Besuch wert sind und gerade durch ihre schattigere Lage punkten. Die Norgeskart, Google Maps und StreetView sowie Bilder anderer Fotografen können uns helfen, geeignete Locations ausfindig zu machen.

Ein wirksamer Schutz gegen Mücken ist empfehlenswert, insbesondere durch die sumpfige und wasserreiche Landschaft können die Tiere sonst jedes Foto zunichte machen und wir sind schneller wieder auf der Flucht, als es uns lieb ist. Die Stirnlampe hingegen darf getrost zuhause bleiben.

Nicht zu unterschätzen ist auch der Wind, der eine immense Kraft entfalten kann. Vertrauen in das Stativ ist gut, Festhalten manchmal besser, sonst liegt die teure Ausrüstung im Atlantik. Ebenso hilft das Stativ, trotz starkem Sturms verwacklungsfreie Bilder zu schiessen.

Dazu passende Wandbilder

Mehr als einen Besuch wert: die Lofoten in der Mitternachtssonne

Ob zum Fotografieren oder zum Wandern, bei einem Besuch wird es vermutlich nicht bleiben. Zu stark zieht uns die einzigartige Landschaft Norwegens mit der rauen Küstenlinie in ihren Bann. Sandstrände wechseln sich ab mit felsigen Steilabbrüchen, eingebettet zwischen sanften Hügeln und schroffen Granitspitzen. Dazu gibt es exklusives Licht durch die Mitternachtssonne, inklusive Garantie für lange Nächte mit wenig Schlaf. Berücksichtigen wir einige Grundregeln, wird das unseren Biorhythmus aber nicht nachhaltig durcheinander bringen.

Durcheinander herrscht einzig und allein beim Begutachten der Fotos, denn welche soll man aussortieren, wenn wir doch fast immer zwischen den Abend- und Morgenstunden perfektes Licht zum Fotografieren vorfinden?

Falko Burghausen

Falko Burghausen

Technical Lead mit langjähriger Erfahrung als CTO sowie Software Engineer und professioneller Landschafts- und Naturfotograf. Ohne Kamera geht Falko fast nirgendwo hin und am liebsten ist er zwischen hohen Bergen und den Wellen des Ozeans unterwegs, um grandiose Landschaften einzufangen. Er ist überzeugt von Work Anywhere und digitalen Arbeitsmodellen und findet, dass ein Tag ohne Schokolade nur halb so gut werden kann.

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