Steinböcke bei Pontresina

Steinböcke bei Pontresina

Falko Burghausen
Falko Burghausen
Veröffentlicht: vor 2 Jahren
Aktualisiert: vor 2 Monaten
Geschätzte Lesezeit: 15 Minuten

Schwer bepackt mit Foto-Equipment bringt uns unsere herbstliche Rundwanderung von der Talstation der Diavolezza-Bergbahn zur Fuorcla Pischa und durch das Val Languard, mit dem Ziel, Steinböcke rund um Pontresina zu fotografieren. Ob wir wohl Erfolg haben werden?

Steinbock-Paradies Val Languard

Wer kennt ihn nicht, den König der Alpen und das Tourismusmaskottchen des Kantons Graubünden. Im steilen, alpinen Gelände zuhause, bewegt er sich dort wie ein König auf seinem roten Teppich, mit schlafwandlerischer Sicherheit und einer Souveränität, die kein Mensch jemals erreichen wird: der Steinbock.

Die scheuen Tiere, die ein zu nahes Aufeinandertreffen mit Menschen eher vermeiden, leben in den kargen Hochregionen der Alpen – dort, wo es mehr graue Felsen als grüne Pflanzen gibt und wo die Temperaturen häufiger unter der Nullgradgrenze liegen als darüber.

Im Val Languard oberhalb von Pontresina fühlen sich die Steinböcke daher heimisch, haben sie hier doch einen geschützten Lebensraum mit vielen Rückzugsmöglichkeiten in Höhenlagen bis auf über 3000 Metern. Der über einen markierten Wanderweg erreichbare 3262 m hohe Piz Languard mit der direkt unterhalb des Gipfels gelegenen gemütlichen Chamanna Georgy markiert den höchsten Punkt in diesem Gebiet, mit einer atemberaubenden Aussicht auf den Gletscherkessel des Bernina-Gebiets.

Auf Steinbock-Suche rund um Pontresina

Ohne zu wissen, ob wir nicht vielleicht das gesamte Kamera-Equipment umsonst mit uns herumtragen werden, stehen wir an der Talstation der Diavolezza-Seilbahn, die mit der Rhätischen Bahn unkompliziert erreichbar ist. Wir hoffen, dass uns die herbstliche Wetterlage und damit einhergehend weniger Touristen und Wanderer in die Karten spielen werden und die Steinböcke uns wohlgesonnen sind. Unsere Route wird uns einmal rund um den Piz Albris führen, mit Abstieg durch das Val Languard, an der gleichnamigen Alp Languard vorbei und hinab nach Pontresina.

Cool: tolles Wetter, eine gewaltige Aussicht auf die Engadiner Bergriesen Piz Palü, Piz Bernina und eine einsame Wanderung, die wir ganz für uns alleine haben. Nicht so cool: ein Stativ, ein Gimbal für ein Teleobjektiv, eine Kamera und zwei Objektive im Rucksack zu haben, eines davon ein lichtstarkes 400 mm Teleobjektiv mit Extendern. Um es anders auszudrücken: der Rucksack auf meinem Rücken ist nicht gerade ein Leichtgewicht.

Wenn’s nicht so läuft…

Aber was soll’s – rund eineinhalb Stunden sieht man uns — leider nur mit mittelprächtiger Laune — die Fuorcla Pischa auf 2835 m passieren. Dank eines nicht geschlossenen Reissverschlusses an meiner Jackentasche hat sich mein zehn Tage altes iPhone 13 Pro verselbständigt und sich den Weg ins Freie gesucht. Fast wie gewollt ist es direkt auf dem zackigsten Felsen um uns herum gelandet und da hilft leider auch kein noch so stabiles Display-Glas mehr weiter: das Ding ist futsch. 😖 Nach einer Pause und wieder etwas beruhigten Gemütern begutachten wir dann aber dennoch erst einmal die imposante Landschaft, in der wir stehen.

Die Fuorcla Pischa ist eine karge Mondlandschaft. Kaum Vegetation, dafür umso mehr karger Stein und pfeifender Wind. Der Herbst ist offenkundig da, ohne winddichte Outdoor-Bekleidung wäre es hier nicht sonderlich angenehm. Der Lej da Pischa, nur wenig unterhalb in einer Senke liegend, ist bereits zugefroren. Das dünne Eis gibt in der ansonsten vollkommenen Stille ab und zu gespenstische sirrende Töne von sich, wenn sich die Oberfläche leicht bewegt.

Ansonsten: kein Mensch, kein Tier. Nur wir. Als gäbe es nichts anderes mehr auf dieser Welt.

Steinböcke voraus!

Etwas Schokolade hilft über den Frust über das zerstörte Smartphone hinweg. Wenige hundert Meter später bessert sich die Laune dann jedoch schlagartig: Marina entdeckt eine kleine Gruppe von Steinböcken, die etwas unterhalb an einem kleinen Wasserlauf stehen. Vielleicht hat sich unser Besuch doch noch gelohnt? Let’s see…

Vorsichtig packe ich die Kamera aus, montiere das Teleobjektiv mitsamt 2x-Extender, denn dadurch verlängert sich die Brennweite von 400 mm auf 800 mm und man „kommt näher ran“, und bereite das Stativ vor. Alles geschieht ruhig und ohne hektische Bewegungen, um die Tiere nicht zu verscheuchen. Die beobachten uns, lassen sich aber ansonsten überhaupt nicht in ihrer Tätigkeit stören. Ein gutes Zeichen.

Mit der Kamera und dem Stativ nähern wir uns der Gruppe vorsichtig und versuchen, einen Abstand zu halten, der sie nicht unruhig werden lässt. Das gelingt uns recht gut, denn keines der Tiere verhält sich verängstigt, teilweise legen sie sich sogar hin – total relaxed.

Wie fotografiert man Steinböcke?

Viel braucht es eigentlich nicht. Wir zeigen dir, welche Tipps und Tricks wir empfehlen und welche Ausrüstung du brauchst, um erfolgreich mit ein paar schönen Bildern zurück zu kommen.

Kamera mit Teleobjektiv

Das Wichtigste ist sicherlich eine Kamera mit einem Teleobjektiv mit möglichst langer Brennweite (ich würde eine Brennweite von mindestens 200 mm empfehlen, 400-800 mm sind sicherlich optimal). Der Grund dafür ist recht simpel: je grösser die Brennweite, umso weniger muss man sich den Steinböcken annähern. Je näher man den Tieren kommt, umso grösser ist die Gefahr, dass sie sich gestört fühlen und sich entfernen. Wir Menschen sind ohnehin nicht gerade für einen zimperlichen Umgang mit unserer Natur bekannt. Daher sollten wir sicherlich darauf achten, diese imposanten Tiere nicht unnötig aufzuschrecken und ihnen damit Energie-Reserven zu rauben, die sie für die Flucht benötigen würden.

Benutze ein Stativ

Neben einem möglichst lichtstarkem Teleobjektiv empfehlen wir optional die Benutzung eines Statives. Denn je lichtstärker das Teleobjektiv, desto schwerer wiegt das Setup — was mich hier gerade teilweise zu Armlockerungsübungen zwingt, um die brennenden Muskeln zu beruhigen.

Spiele mit der Schärfentiefe

Wenn du bereits einmal mit einem Smartphone ein Bild von einem Steinbock gemacht hast, wirst du vermutlich festgestellt haben, dass es hinterher irgendwie langweilig aussieht. Das liegt daran, dass Smartphone-Kameras meistens den gesamten Bildbereich scharf darstellen und sich das Auge des Betrachters in der Menge der Motive verliert.

Versuche daher, mit einer eher offenen Blende zu fotografieren (offene Blende = niedrige Blendenzahl). Dadurch erreichst du, dass der Hintergrund unscharf abgebildet wird und der Fokus zum Beispiel ausschliesslich auf dem Kopf des Steinbocks liegt. Das macht deine Fotos interessanter und wertiger. Leider sind entsprechende lichtstarke Teleobjektive schnell recht teuer, so dass du hier je nach Kameramodell und Objektiv eventuell Einschränkungen in Kauf nehmen musst.

Welche Kamera-Einstellungen?

Es gibt nicht die eine Einstellung, aber mit folgenden Tipps steigt deine Chance, gestochen scharfe Bilder machen zu können:

Verwende neben einer offenen Blende eine möglichst kurze Verschlusszeit. Insbesondere wenn sich die Steinböcke bewegen, solltest du nicht unter 1/200 s gehen, damit die Fotos nicht durch die Bewegung unscharf werden. Je nach Lichtverhältnissen kann es sein, dass du den ISO-Wert höher stellen musst, damit du diese kurzen Verschlusszeiten überhaupt erreichst. Denke aber daran, dass zu hohe ISO-Werte zu Bildrauschen führen können. Viele Kamera-Modelle bringen einen Serienbild-Modus mit. Das kann gerade bei Steinböcken, die sich bewegen, hilfreich sein, da du hinterher das beste Bild auswählen kannst. Falls du eine Kamera mit eingebautem Blitz benutzt — lass‘ ihn einfach aus. Er bringt bei den Distanzen ohnehin überhaupt nichts und erschreckt die Tiere nur. Wildlife-Fotografie und Blitz sind definitiv ein No-Go.

Bringe Geduld mit

Steinböcke kennen weder Termine, sie müssen nicht den letzten Zug erreichen und mit dem Fressen haben sie es auch eher pragmatisch: gegessen wird, was hier gerade wächst. Tiere in hochalpinen Regionen müssen mit ihren Energiereserven haushalten und zeichnen sich daher oft durch eine beeindruckende Ruhe und Souveränität aus — eine Eigenschaft, die den meisten Menschen leider fehlt. Wenn du also Glück hast und einen oder mehrere Steinböcke gefunden hast, sei geduldig und nimm dir Zeit, die Tiere zu beobachten. Das kann auch bedeuten, dass du eine halbe Stunde warten musst — aber mit ein bisschen Glück ermöglicht dir genau das, ein paar wunderschöne Fotos machen zu können.

Acht Tiere sollt ihr sein

Was machen „unsere“ Steinböcke eigentlich in der Zwischenzeit?

Nicht viel: die acht Tiere, von denen eines noch sehr jung ist, haben absolut die Ruhe weg. Sie bewegen sich träge einmal ein paar Meter hierhin, dann ein paar Meter dorthin, ohne direktes Ziel. Eines der Tiere trägt einen Sender an den markanten Hörnern, sie scheinen also in irgendeiner Form getrackt zu werden.

Wir haben einen guten Standplatz gefunden, rund 30-40 Meter entfernt von der kleinen Herde. In der folgenden halben Stunde folgt Foto um Foto, teilweise mit der Kamera auf dem Stativ, teils aus der freien Hand. Marina lacht sich über mein mühsam unterdrücktes Keuchen halb kaputt – sie muss das schwere Ding ja aber auch nicht aus der freien Hand stabil genug halten, um scharfe Bilder fotografieren zu können. Nach einer halben Stunde und ein paar Standortwechseln lassen wir die kleine Herde in Ruhe. Mir ist mittlerweile aber auch übelst kalt und ich kann meine Hände vor Anstrengung kaum noch bewegen — Zeit für eine Pause und etwas Wärme aus der mitgebrachten Thermosflasche.

Abstieg via Alp Languard nach Pontresina

Im Abstieg bewegen wir uns entlang des kleinen Hochtals Val Languard zur gleichnamigen Alp, die vollkommen verlassen auf die Wintersaison wartet. Wir passieren vereiste Gebirgsbäche, einsame Wasserläufe und keinen einzigen Menschen. So gut besucht das Engadin im Sommer und Winter ist, so gibt es doch Jahreszeiten, in welchen man die atemberaubende Natur nahezu für sich alleine haben kann. Unsere Route führt uns nach einigen Höhenmetern in gold-gelben Lärchenwäldern im Anschluss durch Pontresina zum Bahnhof. Mit der Rhätischen Bahn geht es in wenigen Minuten wieder zurück zu unserem Ausgangspunkt an der Diavolezza Talstation, den wir rund fünf Stunden nach unserem Aufbruch wieder erreichen.

Hast du Fragen zu unserer Tour, der verwendeten Ausrüstung oder brauchst du noch weitere Tipps? Dann lass es uns einfach in den Kommentaren wissen!

Falko Burghausen

Falko Burghausen

Technical Lead mit langjähriger Erfahrung als CTO sowie Software Engineer und professioneller Landschafts- und Naturfotograf. Ohne Kamera geht Falko fast nirgendwo hin und am liebsten ist er zwischen hohen Bergen und den Wellen des Ozeans unterwegs, um grandiose Landschaften einzufangen. Er ist überzeugt von Work Anywhere und digitalen Arbeitsmodellen und findet, dass ein Tag ohne Schokolade nur halb so gut werden kann.

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