Unsere Skitour von der Julierpassstrasse auf das Corn Suvretta bringt mich mental an meine Grenzen. Aber bei eisigen Temperaturen und strahlendem Sonnenschein springe ich dann doch über meinen eigenen Schatten.
Eigentlich stand heute die Wanderung auf den 543 m hohen Ryten mit Blick auf den Kvalvika Strand an der Westküste von Flakstad auf unserem Programm. Aber oft kommt es eben anders als geplant – oder es kommt anders, weil man eben nicht geplant hat.
Viele Parkplätze an Sehenswürdigkeiten oder Ausgangspunkten zu beliebten Wanderungen sind auf den Lofoten kostenpflichtig. Die Gebühren bezahlt man in den meisten Fällen entweder mit Bargeld oder per Vipps, ein den Norwegern vorbehaltenes digitales Zahlungssystem. Das haben wir bei unserer Planung schlichtweg vergessen und der Parkplatz in Innersand ist da natürlich keine Ausnahme. Norwegische Kronen oder Euros in unserem Geldbeutel? Leider Fehlanzeige. 🤦♀️
Wir ärgern uns also ein bisschen über uns selbst und treten den Rückzug an, denn nicht bezahlen ist ja auch keine Lösung.
Moltinden – ein spontaner Plan B
Schnell brauchen wir ein Ersatzprogramm, um diesen perfekten Sonnentag auszunutzen. Für mich eine Herausforderung, denn ich weiss am liebsten schon zwei Tage vorher, wo es hin geht, wie viele Höhenmeter auf mich warten und was es sonst noch zu wissen gibt. Jetzt ist aber Spontanität gefragt.
Etwas planlos verlassen wir den Parkplatz bei Innersand und fahren erst einmal los. Kurz vor Ramberg erspähen wir an einem Berghang einen Wanderweg und denken: Der oder keiner. Also ziehen wir die Rucksäcke aus dem Van und stiefeln einfach mal los. Ziel? Noch unbekannt und ich bin gespannt, was wir da oben so vorfinden.
Erst nass, dann steil
Die Lofoten und allgemein sehr viele küstennahe Gebiete in Norwegen bieten häufig genau zwei unterschiedliche Zustände bei den Wanderwegen: entweder sind sie richtig steil oder sie sind nass und sumpfig. Manchmal auch beides gleichzeitig, aber dann macht’s meisten gar keinen Spass mehr.
Im Aufstieg zum Moltinden geht’s aber der Reihe nach: erst nass, dann steil. Bevor wir den von der Strasse aus erspähten Wanderweg finden, wartet ein relativ flaches Wiesenstück auf uns. So nah an der Küste treffen wir natürlich auf die typisch sumpfige Lofotenlandschaft. Mit Storchenschritten waten wir durch das wadenhohe Gestrüpp und versuchen zu verhindern, dass unsere Wanderschuhe geflutet werden. Das sieht vermutlich genau so „grazil“ aus, wie du es dir gerade vor deinem geistigen Auge vorstellst. Zwei Hampelmännchen on tour.
Vielleicht nicht wirklich elegant, dafür mit trockenen Socken und Füssen erreichen wir den ersehnten Wanderweg. Ein kleiner Pfad, auf dem nicht lange gefackelt wird — der Übergang vom flachen Sumpfgelände hin zu „himmel-herrgott ist das steil hier“ ist wirklich bemerkenswert. Teilweise führt der jetzt eher steinige Weg schnurgerade den Hang hinauf und zumindest bei mir zwicken bereits nach wenigen Minuten deutlich die Waden. Beide norwegische Wanderweg-Klischees innerhalb weniger Minuten erfüllt. Schritt für Schritt lassen wir die Strasse unter uns und steigen in monotonen Schritten immer weiter nach oben.