Goldene Lärchen im Engadin. Wer mit seiner Webseite für dieses Keyword auf Google ranken möchte, muss sich ziemlich anstrengen. Jeder der bereits einmal die herbstlichen, goldenen Lärchenwälder im Engadin oder im Wallis besuchen konnte, wird sofort verstehen, warum. Insbesondere diese beiden Kantone sind im Herbst bekannt für ihre weitläufigen Täler und Berghänge, gesäumt mit leuchtenden, goldgelben Lärchenwäldern.
Doch anstatt vieler Worte, um die intensiven Farben während der Engadiner Herbstsaison zu beschreiben, ist es vermutlich besser, einfach ein Bild sprechen zu lassen.
Wir möchten in diesem Artikel eine Übersicht für Herbstliebhaber und Fotobegeisterte geben, die Informationen rund um die Engadiner Lärchen erhalten möchten und mehr über gute Foto-Locations, einige Planungs- und Ausrüstungstipps sowie das Engadin im Herbst allgemein erfahren wollen.
Das Engadin
Im Schweizer Alpenraum findest du Lärchen vor allem in den eher trockenen Hochtälern und Höhenlagen im Engadin und im Wallis. Insbesondere das Engadin, auf bis zu 1800 Metern Höhe im Süden von Graubünden gelegen, hat sich durch seine ideale Lage einen Ruf erworben und jedes Jahr im Herbst nimmt die Dichte an Fotografen rund um die bekannten Spots massiv zu – mit all seinen Vor- und Nachteilen.
Rund um das idyllische Hochtal breiten sich ausgedehnte Bergwälder voller Lärchen aus. In den Tälern sorgen tiefblaue Seen wie der Lej Silvaplana oder hochalpine Berg- und Gletscherlandschaften für eine imposante Kulisse, allen voran der Hochgebirgskessel rund um den östlichsten 4000er der Alpen, dem berühmten Piz Bernina.
Dank seiner ausgezeichneten Anbindung an den öffentlichen Verkehr, unter anderem mit der Rhätischen Bahn, ist das Erreichen von Foto-Spots in jeder Himmelsrichtung denkbar einfach. Oftmals kann man den ökologischen Weg wählen und das Auto stehen lassen. Auch die Infrastruktur für Elektroautos ist im Engadin denkbar günstig ausgebaut. Von 22 kW-Ladepunkten über Schnellladern bis hin zu einem Tesla Supercharger in St. Moritz ist die Auswahl an Ladestationen gross, die teilweise selbst an abgelegenen Parkplätzen zu finden sind.
Viele Orte lassen sich zudem sehr gut mit dem Mountainbike erreichen, dem gut ausgebauten Wegenetz sei Dank. Hier könnte dem Fotografen nur der schwere Rucksack auf dem Rücken einen Strich durch die Rechnung machen, was auf dem Bike nicht immer angenehm ist. Wer jedoch diese Mühen auf sich nimmt, kann seine Destination auch by fair means erreichen.
Die Auswahl an Unterkünften ist im Engadin als ausgeprägte Tourismusdestination kein Problem, insbesondere nicht in den deutlich weniger stark frequentierten Herbstwochen. Zwischen hochpreisigen Luxushotels und Ferienwohnungen in jedem Ausstattungslevel bis hin zu mehreren modernen Campingplätzen wird hier jeder fündig, obwohl manche Hotels in der Nebensaison sogar geschlossen haben.
Die beste Jahreszeit: Herbst ist gleich Lärchenzeit
Frühling, Sommer, Herbst und Winter: jede Jahreszeit hat ihren ganz eigenen Charakter. Der eine mag die wärmeren Temperaturen in den Sommermonaten lieber als die dunklen Herbst- und Wintertage, der andere schätzt genau diese kalte Jahreszeit um so mehr und freut sich über den Schnee und eisige Wintertage.
Würde man diese Vorliebe in einer Umfrage bei Fotografen erfassen, wäre im Ergebnis vermutlich eine starke Tendenz zum Herbst zu verzeichnen. Der Grund dafür ist einfach: eine tief stehende Sonne mit oftmals guten Lichtbedingungen, wunderschöne Farben und dank des späten Sonnenaufgangs und frühen Sonnenuntergangs muss man sich nicht zu unmöglichen Zeiten aus dem Bett quälen, um das Morgenlicht zu erwischen. Und Abends bleibt nach dem Sonnenuntergang noch Zeit für ein entspanntes Abendprogramm. Klingt doch gut, nicht wahr?
Die beste Jahreszeit zum Bestaunen des „Swiss Indian Summers“ ist von ca. Anfang Oktober bis in den November hinein. Der genaue Zeitraum hängt allerdings auch stark von den Wetterbedingungen ab. Durch die hohe Lage auf knapp 2000 Metern Höhe kann es selbst im Herbst im Engadin bereits sehr kalt werden. Nicht selten ist der erste Schnee im Laufe des Oktobers schon gefallen und erfordert entsprechende Bekleidung, insbesondere wenn du in den Bergen unterwegs sein möchtest. Häufige starke Winde und viel Niederschlag können die Lärchen-Periode verkürzen, wohingegen sonnige, trockene Herbstwochen die Farbenpracht sogar bis weit in den November hinein erhalten kann.
Hinzu kommen vermehrt die Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung auf die Vegetation, denn auch die mittlerweile regelmässig zu heissen und damit zu trockenen Sommermonate führen zu einem früheren Einsetzen des Nadelfalls. Ende Oktober/Anfang November kann es dann bereits zu spät sein und die Lärchen haben schon einen grossen Teil ihrer Farbenpracht verloren.
Die typische Saison für Wanderungen ist zu diesem Zeitpunkt bereits vorbei. Die Kühe haben die Alpen verlassen und sind längst wieder ins Tal hinunter getrieben worden. Für alle, die neben der Fotografie auch auf kleinere und grössere Wanderungen aus sind, bietet das riesige Wanderwegnetz im Engadin jetzt einen idealen Zeitraum, um die imposante Bergwelt mehr oder weniger alleine geniessen zu können. Wer gerne die alpine Fauna entdecken möchte, hat gute Chancen, im Herbst fündig zu werden und einer Herde Steinböcke über den Weg zu laufen.
Bei teilweise eisigen Temperaturen solltest du stets ein Auge auf die Bedingungen in den Bergen haben, denn Passagen mit Schnee oder gar Eis können in den höheren Lagen zu dieser Jahreszeit durchaus auftreten. Bei nicht angemessener Ausrüstung kann das schnell zu Problemen und im ungünstigen Fall sogar zum Abbruch der Tour führen.
Ein paar Fakten
Lärchen (im lateinischen auf den klangvollen Name Larix getauft) gehören zur Familie der Kieferngewächse, stellen allerdings eine kleine Besonderheit dar, denn im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Nadelhölzern verlieren sie ihre Nadeln im Herbst. Bevor sie das tun, passiert das, was wir alle von jedem Laubwald kennen: die Blätter (oder im Fall der Lärchen ihre Nadeln) verfärben sich, werden welk und fallen anschliessend zu Boden.
Bevor sie herabfallen und einen weichen, teppichartigen und würzig duftenden Waldboden bilden, tun sie in Kombination mit warmem, herbstlichem Sonnenlicht kameraaffinen Menschen eine besonderen Gefallen und leuchten für einige Zeit in einem satten Gelbton, der zwischen Orange und Goldgelb variiert. Jeder kann sich unschwer vorstellen, was die Kombination aus strahlend blauem Himmel, markanten Bergkulissen, dem ersten weissen Schnee und goldgelben Lärchen für eine harmonische Kombination ergibt – die Komplementärfarben lassen grüssen.
Lärchen erreichen oftmals eine Lebensdauer von mehr als 50 Jahren. Ihr Holz wird vor allem im Bau und Möbelhandwerk genutzt, denn es handelt sich um eine sehr harte Holzart. Als Brennholz spielt es hingegen nur eine untergeordnete Rolle.
Was du (als Fotograf) dabei haben solltest
Weiter oben habe ich ja bereits die je nach Wetterlage sehr kalten Temperaturen, teilweise in Kombination mit Wind, Schnee oder Regen, erwähnt. Warme, wasser- und winddichte Outdoor-Bekleidung sollte daher für alle ausgedehnteren Touren dabei sein, angemessenes Schuhwerk natürlich mit eingeschlossen.
Während passende Bekleidung eine Selbstverständlichkeit sein dürfte, bedarf ein weiterer Ausrüstungsgegenstand unter Umständen doch einer separaten Erwähnung: die Stirnlampe. Da die Tage kurz sind und sicherlich niemand nach einem langen Abend mit vollem Fokus auf die Fotografie danach bei Dunkelheit und Kälte ins Tal absteigen will, ist eine gute Stirnlampe mit ausreichend Power absolut Pflicht.
Auch genügend zu Essen und zu Trinken, vielleicht in einer Thermosflasche (insbesondere wenn du irgendwo oben noch auf das perfekte Licht warten möchtest), können den Aufenthalt in den Engadiner Bergen angenehmer machen.
Und last but not least sollte auch ein kleines Notfall-Set bei allen längeren (Foto-)Touren nicht fehlen, bestehend aus Biwaksack und Erste-Hilfe-Pack. Die Kombination aus schwerem Fotorucksack und Abstieg in der Dunkelheit kann sonst schon bei einem umgeknickten Knöchel schneller zu einem unangenehmen Abenteuer werden, als man sich das wünscht.
Insbesondere für Fotografen, die die einmalige Landschaft und die leuchtenden Lärchen im Engadin in allen erdenklichen Situationen einfangen möchten, empfehle ich ausserdem folgendes Foto-Equipment:
- Ein stabiles und gleichzeitig leichtes Stativ, mit dem du auch mal ein paar Höhenmeter aufsteigen kannst – insbesondere wichtig, um Fotos mit Langzeitbelichtungen an einem der zahlreichen Seen und Flüssen machen zu können.
- ND-Filter (auch Graufilter genannt) sind insbesondere tagsüber ein gutes Hilfsmittel, um trotz der hellen Lichtbedingungen Langzeitaufnahmen auf einem Stativ durchführen zu können. Zwei bis drei unterschiedliche Stärken machen oftmals Sinn, da hiervon die mögliche Belichtungsdauer abhängt.
- Ein Polarisationsfilter kann bei entsprechenden Lichtbedingungen nochmals mehr Farbintensität aus den Bildern herausholen. Zwar solltest du ihn nicht einfach durchgängig vor dem Objektiv nutzen, im Zusammenspiel mit möglichst rechtwinklig zu dir eintreffendem Sonnenlicht kann er sich aber als nützliches Hilfsmittel erweisen.
- Und für die Frostbeulen kann ich Wärmesohlen und Wärmepads für die Handschuhe sozusagen wärmstens empfehlen – insbesondere wenn man auf die perfekten Lichtbedingungen doch etwas länger warten muss, können diese kleinen Helfer die Wartezeit etwas angenehmer gestalten. Da es sich allerdings dabei leider oftmals um Einwegartikel handelt, sollte man es mit ihrem Einsatz auch nicht übertreiben.
Für Kamera und Objektiv sind konkrete Empfehlungen schwieriger, da zwischen Superteleobjektiv und Weitwinkelobjektiv wohl alles zur Anwendung kommen kann. Wichtiger ist an der Stelle sicherlich ausreichend Speicherplatz in der Kamera sowie eventuell ein bis zwei Zusatzakkus, da diese durch Kälte und Wind unter Umständen schneller als üblich an ihre Grenzen kommt.
Wie so oft gilt aber auch beim herbstlichen Lärchen fotografieren: nicht das Equipment sorgt für die Ergebnisse, sondern was du aus dem vorhandenen Equipment machen kannst.
Die bekanntesten Foto-Spots für Lärchen im Engadin
Wenn du dich für das Fotografieren von Lärchen im Engadin interessierst, bist du sicherlich schon über Unmengen an Bildern von den bekannten und leider oftmals hoffnungslos überlaufenen (Hot-)Spots gestolpert. Wie so oft sind das meistens die Locations, die relativ einfach und mit wenig Aufwand zu erreichen sind. Hier wirst du vermutlich nicht das einzigartige, noch nie dagewesene Motiv finden, nichtsdestotrotz haben auch diese Orte natürlich ihren Reiz und begeistern den Besucher mit tollen Szenerien.
Der Lej da Staz
Dazu gehört an erster Stelle (weil am einfachsten und vollkommen unkompliziert zu erreichen) der Lej da Staz bei St. Moritz, der dank umliegender Lärchenwälder und relativ windgeschützter Lage ein ideales Motiv bildet. Leider wirst du diesen Ort quasi nie für dich alleine haben und mittlerweile besteht die grösste Challenge weniger darin, ein gutes Foto hinzubekommen, sondern ein gutes Foto ohne einem Dutzend weiterer Fotografen im Bild zu machen. Mit vielen Besuchern nehmen leider auch die üblichen Probleme wie herumliegender Müll zu, weshalb der Lej da Staz meines Erachtens nach mittlerweile eher nur noch für einen nebensächlichen Schnappschuss geeignet ist. Aber insbesondere bei leichtem morgendlichem Nebel ist die Kulisse durchaus sehr schön und wenn dich eine gewisse Frequentierung nicht stört, ist es auf jeden Fall ein interessanter Ort.
Das Val Roseg
Das Val Roseg ist ein weiterer Höhepunkt und glücklicherweise komplett autofrei. Lediglich Pferdekutschen und Fahrräder dürfen die nicht asphaltierte Fahrstrasse zum Hotel Roseg in Angriff nehmen. Neben diesem Hauptweg gibt es eine Reihe von kleineren Wanderwegen, die idyllisch durch dichte bis lichte Lärchenwälder führen. Innerhalb von zwei bis drei Stunden kannst du im Val Roseg viele schöne Motive finden und das Tal (insbesondere im hinteren Teil nach dem Hotel Roseg) ist bei weitem nicht so überlaufen wie der nicht weit entfernte Laj da Staz oder das bekanntere östlich gelegene Val Morteratsch. Wer in den hinteren Teil des Tals vorstösst, begibt sich in die hochalpine Welt des Roseggletschers, des Piz Roseg sowie der imposanten Westwand des Piz Bernina.
Das Val Morteratsch
Wer bereits einmal mit der Rhätischen Bahn auf den Berninapass gefahren ist, kennt die umwerfende Aussicht direkt nach dem Bahnhof und Hotel Morteratsch hinein ins gleichnamige Tal, das Val Morteratsch. Der Gletscherlehrpfad führt direkt ab dem Bahnhof in rund einer Stunde in das Tal hinein und schon nach wenigen Minuten öffnet sich der Blick auf das Berninagebiet mit Piz Cambrena, Piz Palü, Bellavista, Piz Bernina und Piz Morteratsch. Die stark unter der Klimaerwärmung leidenden Eismassen des Vadret Morteratsch sind Stand heute immer noch imposant anzuschauen und bilden einen eisblauen Kontrast zu den lichten Lärchenwäldern, die dieses einzigartige Hochtal säumen. Auch hier wirst du selten allein sein, allerdings findet man mit etwas Gespür und Einfallsreichtum auch noch unbekannte Perspektiven und Spots, die man für sich alleine geniessen darf.
Der Lägh da Cavloc
Etwas weiter südlich im Engadin wird der kleine, im engen Hochtal liegende Lägh da Cavloc von Maloja aus gerne besucht. Auch hier gilt, dass du dir den Spot meist mit vielen anderen teilen wirst, durch den rund einstündigen Anstieg ist aber zumindest ein gewisser Aufwand erforderlich, um den kleinen See auf gut 1900 Metern Höhe zu erreichen. Wer sein Mountainbike ohnehin dabei hat und gut 100 Höhenmeter mit dem Fotorucksack auf dem Rücken nicht scheut, kann hier vor allem auf dem Rückweg einiges an Zeit sparen und auf dem gut ausgebauten Fahrweg gemütlich zurück rollen.
Der Silsersee
Das wahrscheinlich bekannteste Foto des Silsersees inmitten von vermeintlich unberührter, vor Lärchenwäldern nur so strotzender Natur ziert vermutlich jedes Tourismusmagazin mit dem Themengebiet „Engadin im Herbst“. Idyllisch liegt der See inmitten der Landschaft, am Horizont strecken sich die schneebedeckten Berge in den Himmel und eine kleine Halbinsel ragt in den See hinein. Bei diesem Foto kommt es stark auf die Kamerapositionierung an, denn diese ist wichtig, um die vielen Merkmale der Zivilisation auszublenden (beispielsweise die nur wenige Meter unterhalb des Fotostandortes hindurch führende Kantonsstrasse zum Malojapass).
Wenn du also gerne das typische Foto vom Engadiner Herbst in einem Meer aus leuchtenden Lärchen fotografieren möchtest, dann solltest du diesen Spot an der Südostflanke des Piz Lagrev aufsuchen.
Foto-Spots abseits vom Mainstream entdecken
Wenn Marina und ich mit den Kameras unterwegs sind, versuchen wir möglichst immer die bekannten Perspektiven zu verlassen und eigene, individuelle Wege für die Landschaftsfotografie zu finden. Dafür nehmen wir auch längere Touren und Anstiege in Kauf, die uns an neue und wenig besuchte Orte führen, was aufgrund der optimalen Lichtbedingungen morgens und abends nicht selten auch mit einem sehr frühen Aufstieg oder einer Rückkehr in der Dunkelheit verbunden ist.
Die Weitläufigkeit des Engadins mit Unmengen von kleinen Seitentälern, ein dichtes und gut markiertes Netz an Wanderwegen und die oftmals in viele Himmelsrichtungen reichende, überwältigende Aussicht machen es recht einfach, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und neue Motive auf eigene Faust zu entdecken. Neben der Location spielt aber erfahrungsgemäss ein ganz anderer Faktor die entscheidendere Rolle: das richtige Licht. Mit tief stehendem, goldenen Sonnenlicht lässt sich oft selbst mit den langweiligsten Berghängen ein interessantes Motiv gestalten. Kommen noch Zutaten wie leichte Nebelschwaden oder Wolken am Himmel hinzu, die der Szene Tiefe verleihen, steht der erfolgreichen Landschaftsfotografie eigentlich nichts im Wege.
Wie aber kannst du solche abgelegeneren Foto-Spots am besten entdecken und planen?
Zu viel Planung ist oft nicht zielführend
Am wichtigsten ist es meiner Meinung nach, auch einen gewissen Überraschungsfaktor zuzulassen. Zu viel Planung führt oft zu einer „verkopften“ Herangehensweise, was bei der Menge an unplanbaren Faktoren wie Lichtbedingungen, Wetter, Wind und der eigenen körperlichen Verfassung (wer nach einem langen Anstieg schon mal in einen Hungerast reingelaufen ist und ausser zum Essen zu nichts anderem mehr in der Lage war, weiss wovon ich spreche) eher frustrierend sein kann. Man versucht die ganze Zeit, alles richtig und entsprechend seiner Planung zu machen, wovon sich die Natur allerdings nicht im geringsten beeindrucken lässt.
Wenn die grundlegenden Faktoren stimmen und du das Gefühl hast, ein bestimmer Ort könnte sich fotografisch lohnen, dann ist es unter Umständen das Beste, einfach einmal loszugehen und es zu probieren. Oftmals ergeben sich vor Ort durchaus tolle Gelegenheiten und gar nicht so selten spielt der Zufall mit rein und ermöglicht in Form von plötzlichen Sonnenfenstern oder Nebelschwaden Fotos, die gar nicht planbar gewesen wären – was sie gleichzeitig einzigartig macht.
Nutze topographische Karten
Starte mit einem Blick auf die Karte. Insbesondere in der Schweiz haben wir den unschätzbaren Vorteil des Zugriffs auf hervorragendes Kartenmaterial (was leider in den meisten anderen Ländern nicht der Fall ist). Offizielle Wanderwege (selbst aktuell gesperrte) können ein- und ausgeblendet werden und ermöglichen ein gutes Verständnis von der Erreichbarkeit von Gipfeln, Tälern, Flüssen oder Seen.
Suche Elemente für einen interessanten Bildaufbau
Letzteres ist ein gutes Stichwort: versuche dir zu überlegen, ob es Locations gibt, an denen du ein Gewässer in deine Motive mit einbeziehen könntest. Mache dir gar nicht so viele Gedanken darüber, wie genau der Bildaufbau aussehen könnte – die Realität wird dir ohnehin einen Strich durch die Rechnung machen, zum Beispiel in Form von kleinen Wellen, die Reflexionen verunmöglichen oder einer trüben Wasserkonsistenz, weil bis vor kurzem noch Kühe an diesem See geweidet haben. Übrigens kann auch die kleinste Pfütze von nur wenigen Quadratmetern Wasseroberfläche genutzt werden – hier sind beispielsweise Spiegelungen oftmals sogar am einfachsten in die Tat umsetzbar.
Neben Flüssen und Seen können auch im Hintergrund liegende, markante Bergkulissen eine entscheidende Rolle für einen gelungenen Bildaufbau spielen. Im Engadin bietet sich natürlich insbesondere das Bernina-Massiv dafür an, aber auch andere markante Berggestalten wie der Piz Julier, der Piz Lagrev oder das Massiv des Piz Kesch lassen sich in Bildkompositionen integrieren.
Für diese Überlegungen können auch Tools wie die Bildersuche von Google hilfreich sein, um sich anhand von bestehenden Fotos aus dem Internet ein ungefähres Bild der Gegebenheiten vor Ort machen zu können.
Berücksichtige das Sonnenlicht
Die beste Location nützt wenig, wenn das Licht einfach nicht stimmt. Das kann einerseits passieren, wenn die Sonne aufgrund von Wolken einfach nicht scheint. Oder sie verschwindet hinter anderen Bergen und deine Location liegt im Schatten.
Für eine grundsätzliche Überlegung spielt beim Sonnenlicht die Geländetopografie eine wichtige Rolle. Ist dein geplanter Standort zum Beispiel in einem engen, von Nord nach Süd verlaufendem Tal und du möchtest in der goldenen Stunde fotografieren? In diesem Fall wirst du vermutlich Schwierigkeiten haben, überhaupt Sonnenlicht zu sehen, denn die Sonne verschwindet zu schnell hinter den westlichen Bergrücken.
Für Überlegungen dieser Art helfen neben topographischen Karten vor allem Apps wie PhotoPills, um ein exaktes Verständnis dafür zu bekommen, wo die Sonne oder auch der Mond zu welcher Zeit steht.
Plane genügend Zeit ein
Im Herbst sind die Tage kurz, die Zustiege im Engadin verkürzen sich allerdings logischerweise nicht. Ganz im Gegenteil: wenn du mit einem schweren Fotorucksack unterwegs bist und neben Kamera und Objektiven auch noch ein Stativ mitsamt all den anderen Ausrüstungsgegenständen dabei hast, kann der Anstieg durchaus mal etwas länger als gewöhnlich dauern und anstrengend sein.
Nachdem du für deinen Foto-Standort einen Anstieg über 1000 Höhenmeter hinter dich gebracht hast, solltest du auch entsprechend Zeit für Pausen und die Vorbereitung vor Ort einplanen. Wärmere Bekleidung anziehen, Essen und Trinken, mit klammen Fingern ein Stativ aufbauen oder ein Panoramasystem montieren: all diese Tätigkeiten erfordern Zeit und es ist mehr als unschön, wenn du dabei dem schwindenden Sonnenlicht zuschauen musst und erst parat bist, wenn die beste Lichtstimmung schon wieder vorbei ist.
Wenn wir in höheren Lagen fotografieren wollen und einen entsprechenden Anstieg vor uns haben, brechen wir daher immer bereits so auf, dass wir vor Ort eher noch eine Stunde Wartezeit haben. Die können wir dann für die Vorbereitung nutzen, meistens auch für ein bisschen frieren – oder aber auch für einen Standortwechsel, wenn sich die geplante Location als ungeeignet herausstellt.
Exkurs: wie wir neue Foto-Spots entdecken
Über die wichtigsten Schritte zum Entdecken alternativer Fotostandorte haben wir in unserem Artikel bereits geschrieben: mit Karte und Apps zur Fotografieplanung arbeiten, potentiell spannende Elemente für den Bildaufbau suchen und trotzdem nicht zu viel Zeit in theoretische Überlegungen stecken, sondern im Zweifel auch einfach mal loslegen.
Anhand von einem Beispiel will ich unsere Überlegungen exemplarisch aufzeigen, die zu folgendem Foto geführt haben.
Dieses Bild entstand im Engadin am Silvaplanasee. Die grundlegende Überlegung für dieses Bild war es, die Spiegelung der von verschneiten Berghänge und Lärchenwälder im See als Kernmotiv zu nutzen. Gleichzeitig wollte ich diesen Teil des Motivs mit dem bevorstehenden Sonnenuntergang, der ungefähr am Schnittpunkt des Talendes passieren wird, kombinieren und das letzte Licht und die Farben der untergehenden Sonne nutzen.
Bereits tagsüber haben wir die verschneiten und mit Lärchen gesäumten Berghänge gesehen und man konnte sich ungefähr vorstellen, wie sie im letzten Licht des Tages aussehen und sich im hoffentlich ruhigen Silvaplanasee spiegeln würden. Ein kurzer Check in der PhotoPills App ergab, dass die Sonne ungefähr gegen 18 Uhr an diesem letzten Oktobertag komplett hinter den Bergen verschwunden sein sollte und sich damit eine schöne Himmelsfärbung ergeben dürfte. Der Check des Wetterberichts ergab grünes Licht und ein Blick in den Himmel zeigte einige kleine Wolken, die im finalen Bild später eine wichtige Rolle spielten.
Vor Ort ging es dann nur noch darum, eine geeignete Stelle am Ufer zu finden, was aber mit einem kurzen, zehnminütigen Spaziergang kein Problem war. Wir waren übrigens während der ganzen Zeit für dieses Foto ganz alleine. Die ins Wasser abfallenden Steine im Uferbereich erwiesen sich als zusätzliches kleines Schmankerl, das so gar nicht geplant war. Mit einem Polarisationsfilter zum Vermeiden der Reflexionen liessen sich die in die Wasseroberfläche übergehenden Steine perfekt in die Szene einfügen.
Ein bisschen Glück spielte natürlich auch eine Rolle, denn der See lag komplett ruhig da und es ging nahezu kein Wind. Dieser hätte die Szene sonst ziemlich ruinieren können.
Das finale Bild findest du übrigens weiter oben in diesem Artikel: es entstand einige Minuten später, als die untergehende Sonne die am Himmel dahinziehenden Wolken von unten beleuchtete und diese sich wiederum im See spiegelten.
Und bei schlechtem Wetter?
Wenn das Wetter richtig schlecht ist, sollte man das als sowohl als Berggänger als auch als Outdoor-Fotograf einfach akzeptieren. Natürlich lassen sich die einfacher erreichbaren Foto-Spots auch einmal bei Regen oder Schneefall besuchen, Wunder sollte man sich von solchen Lichtbedingungen allerdings nicht erwarten.
Alternativ bietet das Engadin den grossen Vorteil, dass es sehr weitläufig ist. Neben den Ausläufern im Süden über den Berninapass nach Poschiavo und Westen von Maloja aus hinab nach Chiavenna ist das Engadin zudem in das Ober- und Unterengadin aufteilt. Während man schnell dazu neigt, nur das Oberengadin rund um St. Moritz und Pontresina zu beachten, sollten die Regionen um Zernez und Scuol nicht vergessen werden. Bei einem Besuch im Unterengadin befinden wir uns bereits 30-40 Kilometer von St. Moritz entfernt, was je nach dem schon über Schneesturm oder Sonnenschein entscheiden kann. Nicht zu vergessen ist auch der Schweizerische Nationalpark im Engadin, der sich von Zernez aus in Richtung Val Müstair nach Osten ausbreitet, ebenfalls von Lärchen überzogen ist und unberührte Natur en masse bietet.
In allen aufgeführten Regionen kannst du als aufmerksamer Besucher unzählige leuchtende Lärchen und viele weit weniger häufig frequentierte und fotografierte Fotostandorte finden, die den bekannten Locations rund um St. Moritz oftmals in nichts nachstehen.
Lärchen im Engadin fotografieren – lohnt es sich?
Fakt ist: wer gerne herbstliche Farben in Kombination mit hohen, schneebedeckten Bergen in einer unbeschreiblich schönen Natur entdecken möchte, sollte sich einen Besuch im Engadin im Herbst zur Zeit der goldenen Lärchen nicht entgehen lassen. Trotz einer gewissen Dichte an Menschen mit Kameras lassen sich mit etwas Aufwand neue und wenig frequentierte Orte finden, die den bekannten Hotspots manchmal sogar den Rang ablaufen.
Die gute Erreichbarkeit all dieser Locations trägt ihr übriges dazu bei, dass man die Zeit im Ober- oder Unterengadin geniessen kann. Die vielen potentiellen Fotomotive trösten auch bei kühlen Temperaturen über klamme Finger und kalte Füsse hinweg, wenn das Fotoshooting mal wieder länger dauert und das gute Licht einfach nicht aufhören möchte.
Hast du noch Fragen oder möchtest gerne weitere Informationen? Schreib uns gerne in den Kommentaren oder nimm mit uns Kontakt auf. In individuellen Fotoworkshops geben wir dir auch gerne eine Einführung in die interessanten und entlegeneren Regionen des Engadins und nehmen dich mit zu unbekannten und spannenden Foto-Spots in dieser einzigartigen Region im Süden der Schweiz.