Wer sich den Weg zum Gipfel erarbeitet hat, hat sich auch den Weg hinunter verdient. Gerade bei längeren Läufen und Anstiegen mit mehreren Hundert oder gar Tausend Höhenmetern denkt man sich schnell, dass es ja jetzt "nur" noch bergab geht. Hierbei vergessen wir jedoch oft, dass der Weg hinab ebenfalls anstrengend ist und die Beine nicht mehr die frischesten sind. Dadurch steigt sowohl das Verletzungsrisiko als auch das Sturzrisiko – beides Szenarien, die wir auf einem Trailrun unbedingt vermeiden möchten.
Bergablaufen ist anstrengend
Auch wenn die gefühlte Anstrengung und die aufgebrachte Energie beim Bergauflaufen zweifelos am höchsten ist, so ist auch der Lauf den Berg hinab mit höchsten Belastungen auf unseren Körper verbunden. Die Beanspruchung der Knochen, Sehnen und Muskeln erreicht hier ihre höchsten Belastungsspitzen und das bringt uns direkt auf den Punkt: Der Gipfel ist wie beim Bergsteigen nur das halbe Ziel. Erst im Tal angekommen können wir die Beine hochlegen und unserem Körper die Ruhe gönnen, die er nach einem anstrengenden Lauf braucht.
Lauftechniken beim Bergablaufen
Genauso wie beim Bergauflaufen oder beim Laufen in der Ebene gibt es beim Bergablaufen ebenfalls verschiedene Techniken, um diesen Teil so gelenk- und muskelschonend wie möglich zu gestalten. Wir richten unser Augenmerk besonders auf drei Bereiche: die Trittfrequenz und das Aufsetzen unserer Füsse sowie die Oberkörperhaltung. Alle drei Bewegungsabläufe stellen wichtige Komponenten im Gesamtbild unseres Laufstils dar und sind massgeblich daran beteiligt, ob unser Lauf ein Erlebnis zum Geniessen bleibt oder zur Tortur wird. In diesem Artikel widmen wir uns insbesondere dem Unterkörper. Die Techniken für die Armbewegung und andere wichtige Aspekte rund um den Oberkörper werden wir in einem separaten Artikel näher betrachten.
Eine schnelle Trittfrequenz zum Wohle unserer Knie
Wer sich noch an die umstrittene Ära der Tour de France-Siege von Lance Armstrong erinnern kann, hat vielleicht auch noch dessen Fahrstil auf dem Rennrad vor Augen. Obwohl Armstrong das Spinning nicht erfunden hat, so war seine Trittfrequenz doch unglaublich hoch, selbst innerhalb des Fahrerfeldes voller Profis. Eine hohe Trittfrequenz ist im Radsport ein wichtiger Faktor, um weniger Watt pro Kurbelumdrehung aufbringen zu müssen und dadurch länger leistungsfähig zu bleiben.
Im Laufsport können wir uns von dieser Technik insbesondere beim Bergablaufen einiges abschauen. Auch hier wollen wir (nebst der Schonung unserer Knochen, Knorpel und Bänder) möglichst ökonomisch ins Tal gelangen. Führt man sich den Ablauf einer Schrittfolge beim Bergablaufen vor Augen, so wird schnell klar, dass insbesondere nach der Absprungphase auch eine Landephase erfolgen muss – und die ist naturgemäss beim Bergablaufen relativ hart (wir springen ja sozusagen den Berg hinunter). Eine harte Landung bedingt wiederum eine grosse Kraft, die auf unseren Körper wirkt und diese Kraft hat drei Möglichkeiten, um aufgenommen zu werden:
- Unsere Knochen und Knorpel nehmen einen Grossteil der auftretenden Kräfte auf.
- Wir absorbieren einen Grossteil der Kräfte über unsere Muskulatur.
- Wir verlassen uns auf extrem stark gedämpfte Laufschuhe und deren Fähigkeit zur Absorbierung über das Dämpfungsmaterial.
Der letzte Punkt ist – freundlich ausgedrückt – Augenwischerei. Kein Schuh, und hätte er noch so viel Dämpfung, kann die enormen Kräfte absorbieren, die beim Bergablaufen auftreten. Dazu kommt, dass Trailrunning-Schuhe mit starker Dämpfung oft wenig Gefühl für den Untergrund vermitteln, was insbesondere auf technischen Trails eher hinderlich ist.
Somit bleiben also unser Knochengerüst und unsere Muskulatur übrig. Dass eine konstante Spitzenbelastung unserer Knochen, Knorpel, Sehnen und Bänder keine besonders gute Altersvorsorge für dieselben ist, dürfte einleuchtend sein. Viele Läufer haben früher oder später Probleme mit den Knien. Unser Ziel sollte es also sein, möglichst wenig Kräfte direkt auf diese Strukturen einwirken zu lassen und stattdessen einen Grossteil über die Beinmuskulatur rund um das Knie sowie am Fussgelenk abfangen zu können.
Hier kommt nun die hohe Trittfrequenz beim Bergablaufen ins Spiel. Würden wir grosse und lange Schritte machen, so müsste unsere Muskulatur jedes Mal ungleich mehr leisten, um den Schritt, oder fast schon eher Sprung, abfangen zu können. Machen wir hingegen kleinere Schritte, so ist auch der benötigte Kraftaufwand deutlich geringer. Grosse Schritte erfordern Maximalkraft, kleine Schritte erfordern Ausdauer über vergleichsweise mehr Wiederholungen hinweg (eine kleinere Schrittfrequenz bedeutet auch, dass wir mehr Schritte machen müssen). Da kommt es uns gelegen, dass wir Menschen vor allem mit Ausdauer punkten können und weniger mit Maximalkraft.
Machen wir also kleinere Schritte, und das kann je nach Steilheit des Geländes bis hin zu einem Trippeln gehen, so sparen wir einerseits Kraft und verringern andererseits deutlich die auftretenden Kräfte auf unsere Knie.
Wie setzen wir unsere Füsse auf?
Beim Laufen in der Ebene kennen wir den Vorfusslauf, den Mittelfusslauf und den Fersenlauf. Alle drei Lauftechniken haben ihre Daseinsberechtigungen und es gibt kein Richtig oder Falsch. Je nach Laufsituation kann die eine oder andere Technik sinnvoller sein und jede Läuferin und jeder Läufer tut gut daran, sie zu kennen und situativ einzusetzen. Genauso verhält es sich mit der Fusstechnik beim Bergablaufen:
Wer schon einmal versucht hat, bergab mit der Vorfusstechnik zu laufen, wird vermutlich längerfristig kein besonders elegantes Bild abgegeben haben. Was bergauf gut funktioniert, ist bergab nur gelegentlich möglich und sinnvoll, da vor allem die Stabilität eher eingeschränkt ist. In der Praxis werden wir daher primär unsere Ferse und den Mittelfuss zuerst aufsetzen. Dem Zustand der Sohle unserer Trailrunning-Schuhe kommt deswegen eine besondere Bedeutung zu. Erfahrungsgemäss nutzt sich insbesonders der hintere äussere Rand der Schuhsohle als erstes ab – ein Verschleiss, den wir im Auge behalten sollten: ohne griffige Sohle wird der Abstieg im matschigen Gelände oder auf feuchtem Gras schnell zu einer unkontrollierbaren Rutschpartie und wir riskieren insbesondere im Gebirge einen Absturz.
Kombinieren wir schlussendlich das Aufsetzen unserer Füsse mit der Mittelfuss- oder Fersentechnik mit einer hohen Schrittfrequenz, so können wir auch lange und steile Strecken verhältnismässig kräfteschonend bergab laufen und dennoch unseren Trailrun entspannt geniessen.
Rücklage ist nie gut
Neben unseren Füssen sollten wir bergab vor allem in technischem Gelände auch ein gewisses Augenmerk auf unsere Oberkörperhaltung legen. Wie beim Skifahren ist auch beim Trailrunning eine zu starke Rücklage eine Art Antipattern. Nebst der optisch gewöhnungsbedürftigen "Eleganz" stellt eine Rücklage auch ein Sicherheitsrisiko dar. Unser Schwerpunkt gerät hinter die Füsse und damit wird das gesamte System Mensch am Berg instabil. Auf schuttigem Untergrund können wir so leichter wegrutschen und auch auf glattem Terrain wie Matsch, Schnee oder nassem Gras bringen wir uns so in die Gefahr des Kontrollverlusts.
Wie sieht die perfekte Technik beim Bergablaufen aus?
Die perfekte Technik gibt es nicht. Jeder wird individuell seinen eigenen Weg finden müssen und in der Praxis wirst du häufig eine Mischform aus allen möglichen (und unmöglichen) Bewegungsabläufen beobachten können. Wichtig ist es, die Auswirkungen zu kennen und zu verstehen. Dieses Wissen ermöglicht es uns, einen möglichst ökonomischen Laufstil zu finden und damit unserem Körper langfristig etwas Gutes zu tun.