Wie aber kannst du solche abgelegeneren Foto-Spots am besten entdecken und planen?
Zu viel Planung ist oft nicht zielführend
Am wichtigsten ist es meiner Meinung nach, auch einen gewissen Überraschungsfaktor zuzulassen. Zu viel Planung führt oft zu einer „verkopften“ Herangehensweise, was bei der Menge an unplanbaren Faktoren wie Lichtbedingungen, Wetter, Wind und der eigenen körperlichen Verfassung (wer nach einem langen Anstieg schon mal in einen Hungerast reingelaufen ist und ausser zum Essen zu nichts anderem mehr in der Lage war, weiss wovon ich spreche) eher frustrierend sein kann. Man versucht die ganze Zeit, alles richtig und entsprechend seiner Planung zu machen, wovon sich die Natur allerdings nicht im geringsten beeindrucken lässt.
Wenn die grundlegenden Faktoren stimmen und du das Gefühl hast, ein bestimmer Ort könnte sich fotografisch lohnen, dann ist es unter Umständen das Beste, einfach einmal loszugehen und es zu probieren. Oftmals ergeben sich vor Ort durchaus tolle Gelegenheiten und gar nicht so selten spielt der Zufall mit rein und ermöglicht in Form von plötzlichen Sonnenfenstern oder Nebelschwaden Fotos, die gar nicht planbar gewesen wären – was sie gleichzeitig einzigartig macht.
Nutze topographische Karten
Starte mit einem Blick auf die Karte. Insbesondere in der Schweiz haben wir den unschätzbaren Vorteil des Zugriffs auf hervorragendes Kartenmaterial (was leider in den meisten anderen Ländern nicht der Fall ist). Offizielle Wanderwege (selbst aktuell gesperrte) können ein- und ausgeblendet werden und ermöglichen ein gutes Verständnis von der Erreichbarkeit von Gipfeln, Tälern, Flüssen oder Seen.
Suche Elemente für einen interessanten Bildaufbau
Letzteres ist ein gutes Stichwort: versuche dir zu überlegen, ob es Locations gibt, an denen du ein Gewässer in deine Motive mit einbeziehen könntest. Mache dir gar nicht so viele Gedanken darüber, wie genau der Bildaufbau aussehen könnte – die Realität wird dir ohnehin einen Strich durch die Rechnung machen, zum Beispiel in Form von kleinen Wellen, die Reflexionen verunmöglichen oder einer trüben Wasserkonsistenz, weil bis vor kurzem noch Kühe an diesem See geweidet haben. Übrigens kann auch die kleinste Pfütze von nur wenigen Quadratmetern Wasseroberfläche genutzt werden – hier sind beispielsweise Spiegelungen oftmals sogar am einfachsten in die Tat umsetzbar.
Neben Flüssen und Seen können auch im Hintergrund liegende, markante Bergkulissen eine entscheidende Rolle für einen gelungenen Bildaufbau spielen. Im Engadin bietet sich natürlich insbesondere das Bernina-Massiv dafür an, aber auch andere markante Berggestalten wie der Piz Julier, der Piz Lagrev oder das Massiv des Piz Kesch lassen sich in Bildkompositionen integrieren.
Für diese Überlegungen können auch Tools wie die Bildersuche von Google hilfreich sein, um sich anhand von bestehenden Fotos aus dem Internet ein ungefähres Bild der Gegebenheiten vor Ort machen zu können.
Berücksichtige das Sonnenlicht
Die beste Location nützt wenig, wenn das Licht einfach nicht stimmt. Das kann einerseits passieren, wenn die Sonne aufgrund von Wolken einfach nicht scheint. Oder sie verschwindet hinter anderen Bergen und deine Location liegt im Schatten.
Für eine grundsätzliche Überlegung spielt beim Sonnenlicht die Geländetopografie eine wichtige Rolle. Ist dein geplanter Standort zum Beispiel in einem engen, von Nord nach Süd verlaufendem Tal und du möchtest in der goldenen Stunde fotografieren? In diesem Fall wirst du vermutlich Schwierigkeiten haben, überhaupt Sonnenlicht zu sehen, denn die Sonne verschwindet zu schnell hinter den westlichen Bergrücken.
Für Überlegungen dieser Art helfen neben topographischen Karten vor allem Apps wie PhotoPills, um ein exaktes Verständnis dafür zu bekommen, wo die Sonne oder auch der Mond zu welcher Zeit steht.
Plane genügend Zeit ein
Im Herbst sind die Tage kurz, die Zustiege im Engadin verkürzen sich allerdings logischerweise nicht. Ganz im Gegenteil: wenn du mit einem schweren Fotorucksack unterwegs bist und neben Kamera und Objektiven auch noch ein Stativ mitsamt all den anderen Ausrüstungsgegenständen dabei hast, kann der Anstieg durchaus mal etwas länger als gewöhnlich dauern und anstrengend sein.
Nachdem du für deinen Foto-Standort einen Anstieg über 1000 Höhenmeter hinter dich gebracht hast, solltest du auch entsprechend Zeit für Pausen und die Vorbereitung vor Ort einplanen. Wärmere Bekleidung anziehen, Essen und Trinken, mit klammen Fingern ein Stativ aufbauen oder ein Panoramasystem montieren: all diese Tätigkeiten erfordern Zeit und es ist mehr als unschön, wenn du dabei dem schwindenden Sonnenlicht zuschauen musst und erst parat bist, wenn die beste Lichtstimmung schon wieder vorbei ist.
Wenn wir in höheren Lagen fotografieren wollen und einen entsprechenden Anstieg vor uns haben, brechen wir daher immer bereits so auf, dass wir vor Ort eher noch eine Stunde Wartezeit haben. Die können wir dann für die Vorbereitung nutzen, meistens auch für ein bisschen frieren – oder aber auch für einen Standortwechsel, wenn sich die geplante Location als ungeeignet herausstellt.