Jetzt noch auf’s Zapporthorn? Die Zeit für die meisten Skitouren ist nach einer mageren Saison 2019/2020 ja mittlerweile viel zu schnell zu Ende gegangen. Nach den vergangenen Monaten im Lichte der Corona-Krise haben wir viel Zeit auf kleinen und unbekannten Trails und Wanderungen rund um unseren Lebensmittelpunkt in den Zentralschweizer Voralpen verbracht. Auch wenn mittlerweile wieder und gerade noch Ski(hoch)touren möglich sind, ist uns in den letzten Wochen irgendwie die Motivation für diese Saison abhanden kommen. Aber wir können ja noch von den wenigen schönen gemeinsamen Touren zehren, die wir Anfangs Jahr unternommen haben. Über die folgende, leider etwas verpatzte Skitour mit Winterbiwak bis fast auf das Zapporthorn können wir mittlerweile auch wieder lachen – und das ist das Wichtigste! 😂
Ach herrje, grad noch mal gut gegangen! Beim Versuch, meinen Rucksack zu schultern, zieht’s mich direkt zwei Schritte nach hinten und beinahe kippe ich rücklings in den Kofferraum. 14 Kilo wiegen schwer auf meinem Rücken. Aber wenn ich die bevorstehende Nacht warm und flauschig am Berg verbringen möchte ist jetzt erst einmal Schleppen angesagt.
Mit Sack, Pack und Tourenski, aber leider so ganz ohne Schnee, beginnt unser Mini-Hide-Away Abenteuer am Rastplatz San Bernardino Süd. Nebst den Monster-Rucksäcken schultern wir zusätzlich noch die Ski, bis wir die Bretter nach kurzem Fussmarsch zur verschneiten Passstrasse des San Bernardino endlich unter die Füsse wandern lassen können.
So müssen sich Schnecken fühlen, die ihr gesamtes Haus auf dem Rücken spazieren tragen. Obwohl wir unser Hab und Gut haargenau abgepackt und an jeder noch so kleinen Ecke an Gewicht gespart haben, fühlt sich mein „Häuschen“ immer noch zu schwer an. So ein Winter-Biwak gibt’s halt nicht geschenkt – also let’s kriech!
Im Schneckentempo schieben wir uns die schneebedeckte Strasse hinauf, während uns die Nachmittagssonne zusätzlich einheizt. Eine knappe Stunde später und gute 400 Meter höher wagen wir uns ins Gelände und suchen ein unauffälliges Plätzchen für unser Zelt. Die ersten langen Schatten der umliegenden Bergwelt strecken bereits ihre Finger nach uns. Wir laufen durch ein Wechselbad der Temperaturen und ahnen, was uns erwartet, wenn die wärmenden Strahlen in kurzer Zeit vollends hinter den Gipfeln verschwinden.
Kaum steht das Zelt, wird’s langsam dunkel. Lichter im Tal, Sterne am Himmel, tausend Farben und unglaubliche Stille. Orange, rosa, violett – bis am Ende alles in ein verfinsterndes Blau gleitet. Pures Staunen – bis die Mägen knurren. Kälte macht hungrig. Ein entspannendes Gefühl macht sich breit, als wir in unseren frierenden Händen einen dampfenden Topf voller heisser Nudeln halten. Endlich etwas Warmes im Bauch. Danach noch schnell alles für morgen früh vorbereiten, dann manövrieren wir uns völlig durchgefroren in unsere kuscheligen Schlafsäcke.
Gute Nacht!
Gute Nacht? Nicht für mich. Wider meiner Gewohnheit „hinlegen, einschlafen und erst am Morgen wieder aufwachen“ bekomme ich kein Auge zu. Ich höre dem Wind zu, der an den Zeltstangen rüttelt – fast die ganze Nacht und entsprechend gerädert fühle ich mich am nächsten Morgen. Mit Nutellabrot und Tee lockt mich Falko dann doch aus dem warmen Zelt in den warmen Wind (Igitt!).
Der Föhn hat eine hohe Wolkendecke über uns ausgebreitet und sorgt so für schlechte Lichtverhältnisse und vereinzelte Regentropfen. Erste Zweifel melden sich. Lieber direkt hinunter ins Tal und das Zapporthorn sausen lassen, oder zumindest noch ein Stündchen zurück in den Schlafsack? Nöö. Mit stark reduziertem Rucksackgewicht und leicht gedämpfter Motivation starten wir Richtung Zapporthorn.
Nasser Schnee, warmer Föhn und eine verschlafene Marina – bad combination. Der lange Zustieg zum Zapporthorn läuft bei mir zäh und das aufsteilende Gelände unterhalb des Skidepots entspricht nicht gerade (und heute noch viel weniger) meiner Komfortzone. Mein Blick nach oben trifft auf einen in Wolken verhangenen Gipfel des Zapporthorns und eine breite Rinne für den Zustieg. Mit Pickel und Steigeisen wäre die bestimmt gut machbar. Aber für mich? Jetzt und heute? No way! Ich bin wirklich bedient, Angst und Müdigkeit sind stärker als mein Gipfelverlangen. Der Umkehrentschluss lässt das ohnehin strapazierte Gute-Laune-Barometer bei uns beiden natürlich ins bodenlose sinken.
Aber damit nicht genug: Zum Schluss gibt’s für Falko noch eine Schlappe. Beim Felle abziehen (die sind übrigens funkelnagelneu und heute zum ersten Mal in Gebrauch) bleibt die Hälfte des Klebers auf dem Skibelag pappen. Für heut’ is fertig lustig! 😕
Wie sehr wünschen wir uns in diesem Moment, dass wir am Morgen in unseren gemütlichen Schlafsäcken liegen geblieben wären und uns schlicht nur über unser erstes gemeinsames Winterbiwak gefreut hätten.
Wie wir die Abfahrt bis zum Biwak geschafft haben, ohne vor Verzweiflung laut aufzuschreien, ist mir bis heute ein Rätsel. 😉 Der Schnee im Schatten des Zapporthorns war so unterirdisch schlecht (durchnässt und stark bremsend) und die Oberschenkel so raketenmässig am Brennen, dass es fast nicht zum Aushalten war. Das kommt uns in diesem Winter irgendwie sehr bekannt vor. Zurück am Biwak verwandeln wir uns wieder in Packesel und rutschen vorsichtig zurück auf die Passstrasse. Die letzten Höhenmeter schaffen wir sogar mal ohne Zwischenfälle.
Da sind wir sicher schon Touren gegangen, bei welchen wir mehr Glück hatten, als hier am Zapporthorn. Manchmal soll’s halt einfach nicht sein und dann müssen wir das auch akzeptieren. Immerhin können wir von den Erinnerungen an einen wunderbaren Sonnenuntergang über dem Misox zehren – und das Zapporthorn wartet einfach noch ein bisschen auf seine Besteigung. Abgemacht!