Farben sind einfach faszinierend. Jeden Tag sehen wir endlos viele von ihnen, ihre Nuancen und Schattierungen sowie das Zusammenspiel der verschiedenen Farbtöne. Bei einem Trailrun vom idyllischen Bergdorf Arolla hinauf zum Pas de Chèvres tauchen wir ein in die Herbstfarben der Alpen und geniessen noch einmal den farbenfrohen Anblick, bevor bald alles unter der winterlich weissen Schneedecke versinken wird.
Für mich sind Farben etwas sehr zentrales, einerseits beim Fotografieren und andererseits bei meiner Arbeit als Product Designerin. Farben haben einen immensen Einfluss auf die Wirkung eines Fotomotives und bei digitalen Designs spielen sie ohnehin eine elementare Rolle. Schliesslich haben sie erhebliche Auswirkungen sowohl auf die Ausstrahlung eines Designs, denn je nach Farben kann es professionell, verspielt oder legère wirken, als auch die Accessibility, also die Barrierefreiheit digitaler Produkte.
Obwohl wir Farben also häufig gar nicht bewusst wahrnehmen, haben sie einen elementaren Anteil daran, wie unsere Umwelt auf unsere Stimmung und unser Wohlbefinden wirkt.
Beim unserem Trailrun zum Pas de Chèvres durchlaufen wir eine ganze Palette an Herbstfarben, von goldgelben Bäumen über steingraue Felsen bis hin zu stahlblauem Himmel ist alles dabei.
Braun
Die erste Farbe, die wir auf unserem Trailrun wahrnehmen, ist Braun. Braun ist ja nun einmal die Farbe des Herbstes. Braun steht aber auch für Natur und Erde, für Geborgenheit und Zuverlässigkeit.
Braun ist auch der Trail, auf dem wir starten, erst zwischen den lichten Wäldern rund um Arolla und bald auf den offenen Wiesenhängen oberhalb des kleinen Bergdorfes. Der braune Pfad schlängelt sich über die Wiesen, mit dem Augen folgen wir seinem Verlauf und wir können bis weit hinauf in die Richtung des 2854 m hohen Pas de Chèvres erahnen, wo er uns hinführen wird.
Aber auch die Wiesen um uns herum erinnern mittlerweile mehr an Braun als an Grün. Die Pflanzen sind längst verblüht und haben ihre intensive Farbe verloren. Die Nährstoffe aus den Blättern sind in die Wurzeln gewandert, wo sie auf den Frühling warten, wenn sich in der Frühlingssonne alles wieder in saftiges Grün verwandelt.
Goldgelb
Die Lärchen, die das Val d’Arolla säumen, leuchten um diese Jahreszeit in einem kräftigen Goldgelb, auch wenn der Herbst noch nicht jeden Baum erreicht hat. In die Hänge aus Gelb und Gold mischen sich vereinzelt immer noch hellgrüne Lärchen, die noch nicht soweit sind, sich in wenigen Tagen aber auch noch ihr gelbes Kleid überwerfen.
Neben der Lärche ist die Arve eine der häufigsten Baumarten im Val d’Arolla. Im Gegensatz zu ihren goldigen Nachbarn werfen die Arven ihre Nadeln allerdings nicht ab und sie bilden mit ihrem dunkelgrünen Nadelkleid zusammen mit den Lärchen einen bunten Flickenteppich.
Wir sind mittlerweile aber schon längst oberhalb der Baumgrenze, der Weg wird zunehmend steiniger und die Pflanzen seltener. Am Pas de Chèvres, der den Übergang zum Glacier de Cheilon bildet, angekommen, finden wir um uns herum mehr Fels als Vegetation. Die vorherrschende Farbe hier oben, auf 2854 m ü. M. ist eindeutig grau.
Grau
Die Farbe Grau wir oft als hoffnungslos, kühl oder schmutzig interpretiert und sie ruft negative Assoziationen wie Trostlosigkeit oder Langeweile hervor. Aber Grau kann auch anders, denn gleichzeitig gilt die schlichte unbunte Farbe als beruhigend und differenziert und erinnert an Nebel, Regenwetter und Gestein.
Unser Grau beschränkt sich allerdings auf den Fels, denn vom schlechtem Wetter ist hier nichts zu spüren. Stattdessen ragen links und rechts des Pas de Chèvres die Bergspitzen gen Himmel. Wir stehen in der Sonne und geniessen den Ausblick hinüber und hinunter auf den Glacier de Cheilon. Je weiter unser Blick nach oben wandert, desto mehr weichen die grauen Felsen einer weissen Decke aus Schnee und Eis. Blicken wir nach unten, verliert sich das leider doch nicht so ewige Eis unter Schutt und Stein und in der grauen Wüste hat sich das Schmelzwasser in einem türkisblauen Gletschersee gesammelt.
Dunkles Türkisblau
Mischt man Blau und Grün und lässt das Ganze etwas verblassen, erhält man ein gedämpftes Türkis — oder einen leuchtenden Gletschersee mitten im Hochgebirge. Vom Pas de Chèvres fällt der Blick unweigerlich auf den Schmelzwassersee, der sich in rasender Geschwindigkeit seit 2016 am unteren Ende des Glacier de Cheilon gebildet hat. Das Türkisblau bildet einen auffallenden farblichen Kontrast zu der sonst eher tristen Umgebung und so ist der See ein richtiger Farbtupfer im hochalpinen Grau.
Blau- und Grüntöne im Allgemeinen stehen für Gelassenheit, Ruhe und Nachdenklichkeit und wie die Faust aufs Auge passt diese Farbe zu ihrer Umgebung. Als wollte die Natur uns ein Warnzeichen geben und uns mitteilen, dass es Zeit zum Nachdenken ist — über die rasche Gletscherschmelze und die immer stärker werdenden Auswirkungen des Klimawandels im Allgemeinen. Hier oben in den Bergen sind die Folgen bereits heute so deutlich zu sehen, wie kaum an einem anderen Ort.
Wir nehmen uns die Zeit, versinken in schweren Gedanken, freuen uns aber auch darüber, dass wir solch grandiose Landschaften noch erleben können. Bevor wir aber unsere Gedanken ziehen lassen und unseren Weg zurück ins Tal antreten, geht unser Blick noch einmal nach oben – über uns der Himmel.
Blau
Luftige Frische, Leichtigkeit und die Weite der Landschaft, das und noch viel mehr strahlt die Farbe Blau aus. Auf unserem Weg zurück nach Arolla trübt nahezu kein Wölkchen den stahlblauen Himmel und der Kontrast zwischen grauem Fels, goldenen Lärchen und brauner Erde wirkt durch das Blau des Himmels komplett.
Am Ende stehen wir wieder in Arolla, mit einem anstrengenden Trailrun in den Beinen und einer herbstlichen Farbpalette als Erinnerung.