Spontanität, Agilität, Change. Kontinuierliche Veränderung findet statt, jeden Tag, überall. Das weitreichende Vorausplanen ist mit immer mehr Unbekanntem verbunden und die Businesswelt passt sich diesem Umstand mit neuen Arbeitsmethoden an, die Veränderung als Chance begreift und akzeptiert.
Was können wir davon auf unserem heutigen Foto-Trip auf die 2045 m hoch über dem Genfersee gelegene Berneuse in die Welt der Fotografie mitnehmen?
Planen ist das A und O. Oder nicht?
Eine der wichtigsten Regeln der Landschaftsfotografie besagt, dass du immer ordentlich planen sollst. Überlege dir, welches Motiv, welche Location, wie steht die Sonne oder der Mond, ist es windig oder regnet es gar. Es gibt Unmengen von Apps, Websites und „Die 5 wichtigsten Tipps für Landschaftsfotografen“-Artikel, die sich ausschliesslich der extensiven Planung widmen. Das ist auch absolut nicht falsch und hat in einigen Situationen durchaus seine Berechtigung. Ich möchte in diesem Artikel aber ein wenig rebellieren, die gängigen Methoden in Frage stellen und der Spontanität und dem Chaos etwas mehr Raum einräumen.
Let’s go! 😎
Regeln sind da, um gebrochen zu werden. Anders formuliert: warum nicht einfach mal mit der Kamera losgehen und auf das Bauchgefühl hören?
Ein Van-Trip nach Leysin
Bei einem Trip mit dem Van, den Marina und ich kürzlich unternahmen, hat uns unsere Reise aus beruflichen Gründen in die Zentralschweiz geführt. Anstatt einfach nur Montags zum Zielort zu fahren, sind wir bereits am Freitag gestartet. Unser Ziel: das multinationale Bergdorf Leysin im Kanton Vaud. Mit an Bord natürlich die Fotoausrüstung, denn man kann ja nie wissen. In Leysin gibt es einen top ausgestatteten Wohnmobil-Stellplatz, der unser Quartier für die nächsten drei Nächte sein wird.
Nach unserer Ankunft bringt ein kurzer Blick am späten Nachmittag gen Himmel die Erkenntnis, dass die Sicht klar ist und sich ein paar Wolkenschlieren herumtreiben. Das könnte unter Umständen mit der in rund zwei Stunden einsetzenden Dämmerung zu einer schönen Stimmung mit entsprechender Tiefenwirkung führen.
Marina ist nicht allzu begeistert von meinem Vorschlag, jetzt noch mit der ganzen schweren Fotoausrüstung rund 800 Höhenmeter zur Berneuse aufzusteigen und das übrigens doch am besten jetzt relativ zügig, damit wir noch rechtzeitig zur goldenen Stunde und zum Sonnenuntergang am Ziel sind. Ein paar motivierende Worte später sieht man uns dann aber schon losmarschieren, mit Kamera, Objektiven, Stativ und einer Packung Gummibärchen (wichtig!) im Rucksack.
Wichtigste Zutat für Landschaftsfotografie: das Licht
Kurz bevor wir die hoch über Leysin thronende Berneuse erreichen, bietet sich bereits unerwartet die Möglichkeit, im tief unten gelegenen Rhônetal eine märchenhafte Lichtstimmung mit leichten Nebelschlieren und sich darin brechenden Sonnenstrahlen zu fotografieren. Von mehr oder weniger ausgesetzten Positionen aus kann ich mit Brennweiten zwischen 50-200 mm verschiedene Varianten dieser Stimmung einfangen. Ein Motiv, welches sich so nahezu nicht im Voraus planen liesse, spontan aber durchaus einiges her macht. Denn wer weiss schon im Voraus, dass die Faktoren Nebel, Sicht, Sonneneinstrahlung und -winkel in Kombination mit dem Gesamtmotiv von dieser Stelle aus so zusammenpassen, dass schlussendlich ein Landschaftsfoto von hoher Qualität zustande kommt?
Doch die Show soll gerade erst beginnen. 🥁
In den nächsten 15 Minuten, nachdem wir noch bis zur Berneuse aufgestiegen sind, wird es hektisch. Man sieht mich mit der Kamera von links nach rechts flitzen, Objektive wechseln und zwischen Stativ und Freihand-Fotografie hin- und her wechseln. Der Sonnenuntergang und die verschiedenen Lichtstimmungen sind heute wirklich phänomenal. Wunderschöne Wolkenformen, leichte Nebelschwaden und eine tolle, klare Fernsicht sind einfach top Bedingungen für eindrucksvolle Landschaftsbilder.
Alpenglühen auf der Berneuse
Und als wir schon denken, alles gesehen zu haben, beginnt es: das Alpenglühen. Und wie! Ich habe schon einige Male erlebt, dass die Berge im letzten Licht fast schon kitschig-romantisch rötlich glühen und beleuchtet werden, aber der heutige Abend hier auf der Berneuse stellt das alles in den Schatten. Als wäre das nicht schon genug, sind auch noch die perfekten, wie gemalt wirkenden Wolken am Himmel unterwegs und verleihen der ganzen Szenerie eine gewisse Dramaturgie. Ich komme mit dem Fotografieren kaum hinterher. Nach fünf Minuten ist das Spektakel aber auch schon wieder vorbei und die Nacht senkt sich endgültig herab.
In den folgenden Minuten bieten sich noch ein paar Gelegenheiten, die beeindruckenden Bergkulissen rund um Chamonix und den Genfer See als Silhouetten vor dem kitschig-bunten Abendhimmel zu fotografieren, bevor die Farben allmählich verblassen.
Uns steht jetzt noch ein dunkler Abstieg durch 800 Höhenmeter schwarze Nacht von der Berneuse zurück bevor, die wir aber dank heller Stirnlampen ohne Probleme hinter uns bringen und gegen 22 Uhr etwas müde wieder am Van ankommen. Duschen, Essen, Schlafen – und der Foto-Trip hat sich bereits gelohnt.
Wie viel Planung ist nötig für die Landschaftsfotografie?
Im Prinzip waren drei Faktoren ausschlaggebend, diesen abendlichen Trip zur unternehmen:
- Es hatte klare Sicht mit potentiell spannenden Wolkenformationen am Himmel.
- Die exponierte Lage unseres Zielpunkts sollte höchstwahrscheinlich (wir sind vorher nie dort gewesen) irgendeine Möglichkeit für ein fotogenes Motiv bieten.
- Es wurde Abend und der Sonnenuntergang dürfte irgendein schönes Licht zaubern.
Weiter nichts. Vertrauen darauf, dass wir diese Faktoren zu einem Bild kombinieren können sollten. Landschaftsfotografie ohne extensives Planen, aber mit der Bereitschaft, die schwere Fotoausrüstung einfach mal spontan den Berg hinauf zu schleppen. Das hält fit und gar nicht so selten wird man doch von fotogenen Motiven und Gelegenheiten überrascht.
Wichtig ist in diesen Situationen, dass man mit der Kamera umgehen kann. Man muss wissen, welche Einstellungen an ISO, Blende und Belichtungszeit in Kombination mit einer bestimmten Brennweite zu einem schönen Ergebnis führen können und dieses Setup schnell umsetzen können. Mit schnell meine ich wenige Sekunden. Und dann: Feuer frei! 📸