Mit Höhenmetern kann die Wanderung um den Storekrækkja im Nationalpark Hardangervidda nicht punkten. Dafür mit ruhiger Landschaft, die zu fast schon meditativem Wandern einlädt.
Wir laufen gerne auf Berge, stehen auf Gipfeln und geniessen die Aussicht von einem Stückchen weiter oben. Irgendwie gibt uns das oft das Gefühl, Abstand zu bekommen. Distanz zum Alltag, zur Arbeit, zu Problemen, die uns in diesem Moment eigentlich beschäftigen. Zudem bieten uns Berglandschaften einfach unglaubliche Kulissen und Farbenvielfalt für unsere Fotografie.
Aber immer nur Berge?
Wir haben uns gefragt: Muss es unbedingt ein Gipfel sein? Und was machen wir bei schlechtem Wetter?
Wir haben festgestellt: Wenn der Himmel voller Wolken hängt, uns der Wind um die Nase bläst und ein Gipfel der wohl unwirtlichste Ort wäre, an dem wir jetzt sein möchten, dann können wir auch ganz gerne mal flach.
Unser Norwegenreise 2021 hat uns über Geilo nach Fagerheim im Nationalpark Hardangervidda geführt. Dort kommen wir leider bei eher miesem Wetter an, der Wind ist eisig und es sieht verdächtig nach Regen aus. Wir machen uns trotzdem auf den Weg und hoffen, dass wir unsere Regenkleidung tief unten in unseren Rucksäcken stecken lassen können.
Mit der Kamera im Gepäck und trotz stürmisch kaltem Wind erstaunlich guter Laune gehts also los. Das Ziel: eine Runde um den See Storekrækkja. Trotzdem bleibe ich skeptisch. Die Wanderung sieht erst einmal lang und vor allem langweilig aus. Meine Gedanken auf den ersten hundert Metern: „Was gibts bei einer Seeumrundung schon zu fotografieren und der flache Weg zieht sich bestimmt endlos.“
Und dann zeigt sich schnell: Es wird zwar lang, aber mit Sicherheit viel weniger langweilig als angenommen. Der sandige Weg schlängelt sich verspielt durch die runden Felsen, die überall verstreut auf abgeblühten Wiesenflächen verstreut liegen. Wollgräser flattern im Wind und die kleinen, durch den Wind erzeugten Wellen brechen sich an den Steinen, die das Ufer des Storekrækkja säumen. Hin und wieder wird unser kleiner Pfad von Bächen, die als Zulauf in den See münden, unterbrochen.
Die Farben von Himmel und See mischen sich in eine Masse aus Blau und Grau, während die Landschaft um uns herum von einem matten Grünbeige überzogen ist. Die Hügel und Felsen durchbrechen den Grasteppich und sorgen für hellgraue Farbtupfer in der Landschaft.
Wir sind kurz vor dem Mittag losgegangen und an einem sonnigen Tag wäre das Licht zu dieser Tageszeit absolut ungünstig, um schöne Fotos als Erinnerung mit nach Hause zu nehmen. Der mit Wolken bedeckte Himmel jedoch schafft ein fahles Licht und damit gute Voraussetzungen, trotz Mittagszeit Fotos zu machen.
Nach einer Stunde erreichen wir eine Stelle, an der das felsige Ufer einem mehrere Meter breiten Sandstrand weicht. Andere Temperaturen und wir wären vielleicht bereit, in den Wellen des Storekrækkja zu waten und uns abzukühlen. Aber bei der aktuellen Wetterlage lassen wir unsere Füsse lieber in den warmen Socken stecken und ich bevorzuge beim Sprung in den See lieber auf einem Felsblock zu landen, anstatt baden zu gehen.
Ziemlich genau bei der Hälfte unserer Tour überqueren wir eine Brücke und erreichen anschliessend die Krækkja tourishytte. Hier gäbe es vermutlich noch viele Fotomotive, mit welchen wir uns die Zeit vertreiben können. Im Moment treibt uns jedoch der Hunger weiter, da wir aufgrund der steigenden Corona-Zahlen nicht einkehren möchten. Wir suchen also weiter nach einem Plätzen, an dem wir vor Wind geschützt unser eigenes (wenn auch etwas spätes) Mittagessen geniessen können. Was würde ich jetzt für eine Tasse heissen Kaffee geben. Aber den habe ich leider nicht im Rucksack dabei.
Satt und wieder munter nehmen wir die zweite Hälfte, sozusagen den Rückweg, unter die Füsse. Im Gegensatz zur anderen Seeseite folgt der Pfad hier nicht mehr dem Seeufer, sondern schlängelt sich in einem sanften Auf und Ab über mehrere kleine Hügel. Von den kleinen Erhebungen aus öffnen sich jedes Mal neue Ausblick auf die umliegende seenreiche Landschaft der Hardangervidda und wir geniessen es, den Kopf doch mal etwas weiter strecken zu können. Wie war das mit dem „wir können auch flach“?
Nach guten drei Stunden stehen wir in Fagerheim wieder an unserem Van. Der Wind bläst immer noch und wir können gar nicht schnell genug die Schiebetür hinter uns zu ziehen und endlich warmen Kaffee aufsetzen. ☕️😊
Aufgewärmt und ausgeruht kommen wir zum Schluss: Die Wander- und Fotografierlaune sollte man sich auf keinen Fall vom grauen Himmel verderben lassen, Wind zehrt an den eigenen Kräften und zumindest für den Storekrækkja gilt: flat is beautiful.