Es sind kalte Tage und noch kältere Nächte, die den Besucher des Engadiner Nationalparks im Spätherbst erwarten. In den höheren Lagen liegt bereits Schnee, in den etwas tieferen dominieren verkrustete Schneereste, die in der Sonne angeschmolzen und Nachts wieder gefroren sind. Jeder Schritt hinterlässt ein knirschendes Geräusch in der eisigen Stille, die nur durch ein gelegentliches Raunen der Nadelbäume im leichten Wind unterbrochen wird.
Im Nationalpark dominieren wie auch sonst im Engadin die Lärchen das Landschaftsbild – grün und unauffällig im Frühling und Sommer, karg und kahl im Winter. Im Herbst jedoch entfalten sie ihre ganze Pracht und tauchen die Landschaft in ein gelb-orangenes Licht, kleine Farbtupfer, die dem Besucher überall entgegen leuchten. Vom Standpunkt für dieses Bild aus wirkt der gen Westen ziehende Lago di Livigno beinahe wie ein norwegischer Fjord – tief eingeschnitten und schier endlos schlängelt er sich zwischen den Bergen hindurch. An seinem nördlichen Ufer verbindet eine schmale Strasse das Engadin mit der italienischen Enklave rund um Livigno, wobei diese Verbindung nur in den Sommermonaten befahrbar ist.
Eine eindrückliche Rundwanderung führt durch den Nationalpark hinauf zum Munt la Scherra, einem der wenigen auf den erlaubten und markierten Wanderwegen erreichbaren Gipfel in diesem Gebiet. Die Route bietet beeindruckende Ausblicke in eine seit über hundert Jahren unberührte Natur und vermittelt ein Gefühl davon, wie eine Alpenregion mit nur minimalen menschlichen Eingriffen aussehen würde.